Harmonielehre / 4-Elemente-Lehre
Charakteristika “Innerer Systeme”
Kampfsystematik
Formen
Aufbau des Unterrichtsprogramms
HARMONIELEHRE / VIER-ELEMENTE-LEHRE
DWT - ein “Inneres System”
Die Aspekte für innere Arbeitsweisen beziehen sich weniger
auf technische Abläufe, als vielmehr auf jene energetischen
Aspekte, welche unter dem Begriff der Harmonielehre
zusammenfassen lassen. Im klassischen WingTsun (zB. Yip Man-
Linie) sind diese inneren Aspekte über Generationen verloren
gegangen. Es liegt jedoch im Bewusstseinsfeld unsere Zeit, dass
alte Quellen der Ursprungsstile wieder zusammenfinden. Auch im
DRAGOS WING TSUN hat dieser Prozess über die letzten Jahre
stattgefunden.
DRAGOS WING TSUN ist inneres WingTsun und basiert als konzeptionelle
Kampfkunst auf angewandten Aspekten der "4-Elemente-Lehre", repräsentiert durch die Elemente Erde,
Wasser, Feuer und Luft:
ERDE
Damit sind die Aspekte des Schwermachens, der Schwerpunktsabsenkung und ganz allgemein die
Nutzung von Körpergewicht gemeint (Grounding). Haltung und Statik fließen hierbei entscheiden mit
ein.
Ebenfalls dem Erd-Aspekt zugeordnet ist das "Sich-vom-Boden-Abstemmen"(Rooting), welches bei all
jenen Relationen möglich wird, bei welchem der Gegner unsere Gliedmaßen von oben kreuzt.
WASSER
Das Wasserprinzip steht für den Fluss von Energie und Anpassung. Wir kennen dies vom "Chi-Sao
der Übung der klebenden Hände. Wir können dadurch Drucklücken und Schwächen aufspüren, den Gegner
kontrollieren, während wir in neue strategisch vorteilhaftere Position
übergehen und unsere Körperwaffen "aufladen", um gestaute Energie
für einen Angriff zu verwenden. Bruce Lee hat den Aspekt der
Anpassung oft mit dem Gleichnis der gefüllten Tasse beschrieben,
dh. das Wasser darin wird zur Form der Tasse.Das
Wasserprinzip beinhaltet auch den Aspekt der
Nachgiebigkeit.
Schliesslich ist nichts weicher wie Wasser. So findet
brachiale Gewalt des Gegners keinen Ansatz.
Auf der anderen Seite erzeugt eine Verletzung dieses
Prinzips stets einen gestörten Energiefluss, wodurch
Kräfte des Gegners wiederum Kraftschluss und
Übertragungmöglichkeiten finden.
Im Chi-Na, welches Hebeltechniken beinhaltet, wird just diese
Verletzung des Flussprinzips genutzt, bzw. wird uns zum
Verhängnis.
Verkrampfungen und Starre sind der Auslöser für diesen gestörten
Energie-
und somit auch Bewegungsfluß.
FEUER
Das Feuerprinzip steht für explosive Kraftentladung verdichteter Energie. Es kann einhergen mit dem
Wasserprinzip, dh. aufgestauter Druck wird explosiv und plötzlich freigegeben.
Wir benötigen hierfür nicht zwingend ein Gegenüber, denn wir können die Explosionskraft, das "Fa Jin
auch aktiv einsetzen. Wenn wir verstehen, dass Muskeln, welche antagonistisch arbeiten, imstande sind,
sich auf destruktive Weise "auszubremsen", wird die Bedeutung von Entspannung und Beherrschung
eigener Emotionen sichtbar. Aktiv verwendet, also ohne aufgestaute Spannung, geht jedem Fa Jin-
Vorgang eine Entspannung voraus.
LUFT
Das Luftprinzip beinhaltet den inneren Aspekt "mentaler Geschwindigkeit" und steht für Agilität
dem Prinzip des "Nicht-greifbar-Seins".
Gerade in der Nicht-Kontakt-Phase basiert die Wahl der richtigen Strategie oft auf visueller Einschätzung.
Was sich schnell und unvorhergesehen bewegt, ist schwer zu greifen oder einzuschätzen.
Um eine Metapher zu geben: man stelle sich eine Mücke oder Mosquito vor, der uns am Schlafen hindert.
Wir besorgen uns eine Fliegenklatsche, aber dieser kleine Plagegeist ist stets schneller als wir.
Hier wird auch auch der Stellenwert von (äußerer) Schnelligkeit sichbar, die ein Teilaspekt des Luftprinzips
ist. Jene, die nicht über Schnelligkeit verfügen, können dies durch geistige Geschwindigkeit kompensieren.
Junge strebsame WingTsun-Lernende suchen nicht selten eine Abkürzung oder laufen Gurus hinterher,
welche ihnen "Geheimnisse" versprechen. Doch in Wahrheit basiert die Überlegenheit "alten Hasen" vor
allem auf ihrer in langen Trainingsjahren erworbenen Erfahrung.
Viele Kampfsportarten wie z.B. Karate, Teakwondo oder Boxen haben das Luftprinzip kultiviert.
Agilitätstraining ist Teil ihrer Strategie. In die Kategorie Luft-Prinzip lässt sich auch das Thema
Täuschungen und das Arbeiten mit gebrochenen Rhytmen einordnen.
CHARAKTERISTIKA INNERER SYSTEME
Neben der philosophischen Betrachtungsweise in Bezug auf die vier Elemente
gibt es noch
weitere Charakteristika innerer Kampfsysteme:
1. Denken in energetischen Begriffen
Innere Kampfkünste denken und handeln energetisch. Die
Harmonie von Gegensätzen, repräsentiert durch das “Yin-
Yang-Symbol” beschreibt das Wechselspiel sich einander
erzeugenden und bedingenden Gegensatzpaare des
männlichen und weiblichen Prinzips. Sie erklären
Phänomene wie z.B. Stärke/Schwäche,
Vordringen/Nachgeben, hart/weich usw. Jede Veränderung
erzeugt eine Gegenreaktion und umgekehrt.
2. Das Vermeiden fester Pläne
Dies funktioniert nur mit einem "offenen Geist" und dem
Prinzip der Absichtslosigkeit. Es ist die Achtsamkeit und
das Eintauchen in das "Hier und Jetzt", welches uns die richtige
Technik zur richtigen Zeit ausführen lässt.
3. Bedeutung des Gleichgewichts
Das Gleichgewicht ist in der Bewegungshierarchie ganz oben angesiedelt. Ohne Gleichgewicht haben wir
keine Kontrolle über unseren Bewegungsapparat. Ändern sich Kraftverhältnisse mitten im Spiel, muss
der eigene Krafteinsatz so angepasst werden, dass wir unser Gleichgewicht wahren können. Im
Umkehrschluss wird sichtbar, dass es sich für uns lohnt, das gegnerische Gleichgwicht zu stören.
4. Verwendung "voller Bewegungen", Sättigung und Richtungswechsel
Eine sogenannte "volle Bewegung” ist als Druck oder Zug realisierbar. Unsere Bewegung wird hierbei stets
bis zum Kern des Gegners ausgeführt - Stichwort "Zentrallinie". Anders als bei Bewegungen, die
Gliedmaßen nur kreuzen und nicht durch den Gegner hindurchgehen, fordern volle Bewegungen die
Integrität des Gegners hinsichtlich Gleichgewicht und Stabilität seiner Schutzstrukturen stark
heraus.
Eine volle Bewegung verknüpft hierbei alle beteiligten Muskelgruppen in ausgeprägter Weise. Sie ist stets
ein Zusammenspiel aus den 3 grundsätzlichen Bewegunsgskraftquellen Absenkung,
Aufrichten, der Körperdrehung oder Kombinationen daraus.
Eine volle Bewegung endet nicht, wenn wir den Gegner erreichen, sondern führt zur Sättigung
dem Erzeugen eines Reifepunkts der Bewegung, wodurch ein Richtungswechsel eingeleitet wird.
5. Das Wechselspiel von Ausdehung und Implosion
Die Verwendung voller Bewegungen ist eng verknüpft mit dem Prinzip der Ausdehung mit anschließender
Implosion. Im DRAGOS WING TSUN verwenden wir das "Modell der 4-segment-Sphäre", welches die
Verkörperung eines 3 dimensionalen Quadranten für kugelförmige Ausdehnung ermöglicht. Man stelle sich
ein Kugel vor, welche in 4 Segemente zerteilt ist, wobei
wir im Zentrum dieser Struktur stehen.
Die Form der Ausdehnung erfolgt stets durch natürliche
Strukturen, die dem "Prinzip des goldenen Schnitt
folgen.
Ausdehung ist ein relativer Begriff und abhängig davon,
ob wir mit geöffneter oder geschlossenen Haltung
agieren. In jedem Fall kehrt sich die Richtung
unsere Bewegung im Sättigungsmoment um
wobei wir der ursprünglichen Kraft stets diametral
entgegenwirken.
Wir spiegeln also die Bewegung des Gegners mit
negativem Vorzeichen bis zum Zeitpunkt der
Sättigung und geben die aufgeladene Bewegung
wiederum in Form des (implodierenden)
Richtungswechsels zurück.
Vielleicht hat der eine oder andere in seiner
Jungendzeit schon mal mit einer Steinschleuder hantiert. Hierbei spannen wir das Gummiband gegen den
Widerstand und lassen im Sättigungsmoment los. So ähnlich verhält es sich Ausdehnungs-Implosions-Spiel.
6. Hebelarmschalter
Alle Vorgänge des Bewegungsapparates beinhalten stets Ausdehnung oder das Zusammenziehen von
Muskeln. Unsere Gliedmaßen gehen also in Streckung oder Beugung. Die Kraft, welche sie dabei aufbringen
können, hängt entscheidend vom Zustand der Muskelüberlappung ab.
So kann beispielweise ein gestreckter Arm mit Leichtigkeit herabgedrückt werden, während ein am Körper
eng anliegender Arm enorme Stabilität bekommt und nur schwer beeinflusst werden kann. Der Streckungs-
oder Beugezustand bestimmt somit unsere verfügbare Kraft und Stabilität.
Dieses Prinzip nutzend, können wir Umstände erzeugen, die uns stark und den Gegner schwach
machen.
Wir können uns beispielweise näher an den Gegner heranbewegen, um unseren Hebelarm stärker zu
machen oder den Gegner zur Streckung verleiten, um ihn zu schwächen. Diese Vorgehensweise zählt zu den
"schleichenden" und unauffällige Taktiken für die Überwindung von Deckungen in der Kontaktphase (Chi-
Sao).
7. Relative Kraft
Auch das Einsetzen "Relativer Kraft" zählt zu den inneren Aspekten der
Kampfkunst. Im DRAGOS WING TSUN entdeckte ich diesen Aspekt
beim Arbeiten an sehr schweren Menschen und beim
Langstocktraining. Meine Lieblingsmetapher, die ich hierfür
geschaffen habe geht wie folgt und sie beginnt mit einer Frage:
Wer gewinnt bei einem Wettlauf zwischen Rennpferd und
Schnecke? "Normalerweise" das Pferd, da es absolut gesehen
schneller rennt.
Aber: sitzt die Schnecke jedoch AUF dem Pferd, geht sie als
Erster durchs Ziel, da sie das Pferd als Basis verwendet.
Diese Metapher ist das perfekte Beispiel, um zu verstehen, was
geschieht. Wir können uns "schneckenhaft" langsam bewegen und
doch schneller sein als der Gegner. Die Voraussetzung ist jedoch
dass wir über die notwendige Mindestkraft verfügen, die notwendig
ist, um sich von einem Gegner wegzurücken oder an diesen
heranzuziehen.
Dies bezieht sich zugleich auf all jene Kräfte, die notwendig sind, um eine Bewegung auf Spur zu halten.
Gerade das Training an der Holzupppe ermöglicht es uns, die innere Qualität der "Relativen Kraft
erwerben, da die Seitenstabilität der Puppe uns stets an unsere Grenzen führt. Holzpuppen mit elastischen
Armen können dies verständlicherweise nicht leisten.
8. Inneres Sinken und Repelling
Inners Sinken ist eine Form der "versteckten
Verdichtung". Man werfe einen Ball gegen eine Wand oder
auf den Boden - er springt zurück. Wie ist das möglich?
Antwort: mit zunehmendem Druck auf den Ball verdichtet
sich die Luft im Inneren zunächst. Anschließend kehrt sich
der Vorgang um und der Ball federt zurück.
Mein persönlicher Modell-Favorit ist das eines Elefanten,
der auf einem aufblasbaren Gummiball sitze. Von außen
sieht man, wie der Ball ordentlich nachgibt. Der Ball,
könnte er sprechen würde sagen, "Ja, ich habe
nachgegeben - aber im Inneren ist der Druck
gewachsen". Und der aufmerksame Beobachter wird
zudem bemerkt haben, dass der Ball beim Nachgeben
anfing zu federn und zu wippen. Es ist also ein Form der
Schwingung.
Wir können das Innere Sinken zur Absorption von Kräften verwenden oder den Gegner überaschend,
scheinbar wie aus dem Nichts, aus dem Gleichgewicht bringen.
KAMPFSYSTEMATIK
Kampfsystematik - Logik des Kämpfens
Wer möchte sich schon auf den Zufall verlassen, wenn es um Leib und Leben geht? Die Logik des Kampfes,
zusammengefasst in der sogenannten "Kampfsystematik", beinhaltet die Strukturierung des
Kampfgeschehens zum Zwecke der Sichtbarmachung von Chancen und Risiken.
Die jeweiligen Umstände sind im eigenen Ermessen abzuwägen: liegt eine versteckte oder offensichtliche
Bedrohung vor? Gibt es Zeugen, die das Geschehen beobachten? Ist der Gegner bewaffnet? Wie ist die
Beschaffenheit der Umgebung? Lässt sich der Konflikt vermeiden?
Schnell sehen wir, dass es vieles gibt, das es zu beachten gilt.
Die 3 grundsätzlichen Domänen fürs Handeln
Jeder Kampf steht unter der Prämisse des "Treffens, ohne selbst getroffen zu werden". Nicht immer
können wir einem Angreifer zuvorkommen, da manche Situationen unklar oder für uns überraschend sein
werden oder schlicht Abwarten erfordern. Reagieren ist meist schwieriger als Agieren, was bedeutet,
dass die Handlungsdomäne der Verteidigung mehr Trainingszeit und Vorbereitung im Lernprozess
erfordern wird. Der Gegner wird immer eine erste Chance haben, doch dann greift das Konzept der "
Chancen-Limitierung": diese Taktik beinhaltet, den Gegner daran zu hindern, weitere Angriffe auszuführen
und ihn hierbei über den gesamten Verlauf unserer Handlungen zu kontrollieren.
Es ist das Gegenteil eines unkontrollierten “Schlagabtausches”.
In der DRAGOS WING TSUN Kampfsystematik gibt es 3 grundsätzliche Handlungsdomänen.
Domäne 1: Zuvorkommendes Eingreifen
Das Zuvorkommende Eingreifen beinhaltet alle Vorgehensweisen, die geeigent sind, den Gegner an der
Ausführung, bzw. Entfaltung seines Angriffs zu hindern. Wir müssen also nicht zwingend abwarten, bis
die Faust des Gegners unser Kinn erreicht, sondern können einschreiten, sobald geklärt ist, dass ein Kampf
gegenwärtig ist. Hierbei achten wir auf Schlüsselmomente, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.
Domäne 2: Verteidigungskonzept
Das Verteidigungskonzept beinhaltet den Vorgang des Ausweichens von Angriffen bei gleichzeitiger
Schaffung eines Vorteilsmoments, wie z.B. dem Rauben des Gleichgewichts, der Unterbrechungs des
Bewegungsflusses oder Erzeugung einer Haltungsänderung/Öffnung durch ablenkenden Schmerz
(Bewussteinslenkung). Auf diese Weise sind wir nicht in Reichweite der gegnerischen Waffen, können ihn
aber entscheidend beinflussen, um den nächsten Schritt einzuleiten. Die nachfolgende Annäherung und
Kontrolle des Gegners durch die Schaffung des Vorteilsmoments für uns sicher.
Domäne 3: Notlösungskonzept
“Notlösungskonzept” ist der Oberbegriff für alle Fehler
und Pannen, die uns widerfahren, während wir eine der
beiden ersten Strategieansätze anzuwenden versuchen. Wir
scheitern also beim Versuch, dem Gegner
zuvorzukommen oder uns gegen ihn zu verteidigen.
Alles was wir jetzt noch tun können ist, uns im Sinnes des
Notlösungskonzepts zu verhalten. Vergleichbar dem sich
auslösenden Airbag bei einem Autounfall, helfen uns
Notfallkonzepte, das Steuer im entscheidenden Moment
herumzureißen.
Dies kann durchaus bedeuten, dass wir Dinge tun müssen,
die von einer gewohnten oder "vernüftigen"
Arbeitsweise abweichen. Eine Frau, die in Bedrängnis
gerät, könnte beispielweise wählen, den Angreifer in die
Wange zu beißen oder sich eines Gegenstandes zur
Verteidigung zu bedienen. Es sind Extremsituationen, die
solche Antworten sinnvoll machen.
Traditonsgemäß beinhaltet die "BiuTze-Form" konservierte
Muster für die Bewältigung von Notfallszenarien.
Zentrale: Weiherstrasse 84, 78050 Villingen-Schwenningen
eMail: info@dragoswingtsun.com
Mobil: +49 163 6873596
FORMEN
Formen - Werkzeuge zur Aneignung von Bewegungsmustern
Den drei ersten Formen des Wing Tsun, Siu Nim Tau, Chum Kiu und Biu Tze liegt ein didaktischer Aufbau
zugrunde. Der Schüler beginnt mit einfachen Dingen und integriert nach und nach komplexere Strukturen
und Aspekte. Der Fokus ist wie folgt:
Siu Nim Tao
Die Siu Nim Tau (Kleine-Idee-Form) legt den Grundstein für alle Techniken und Prinzipien im Wing Tsun.
Ihre Hauptfunktionen sind die Vermittlung grundlegender Positionen, Bewegungen und Prinzipien. Sie dient
der Entwicklung einer entspannten Körperhaltung und beinhaltet
Haltungsgrundsätze für eine starke stabile Körperstruktur: die
Streckung der Wirbelsäule, das Verriegeln des Kinns, das Senken
des Schultergürtels, die richtige Atmung (Beckenbodenatmung),
das Einnehmen einer entspannten Brust. Abgesehen von der
Öffnung des Standes und dem senkrechten Stehen, gibt es in
dieser Form keinerlei Schrittarbeit. In dieser Phase ist der Schüler
noch weit davon entfernt die 3 grundlegenden Kraftquellen für
dynamische Ganzkörperbewegung zu verwenden, welche aus
Senken, Aufrichten und Drehung des Körpers und Kombinationen
dieser Bewegungsarten bestehen. Die Form wird daher teilweise
als "statisch" betrachtet. Durch die isolative Verwendung der
Bewegungen soll der Schüler seine Gelenke aufschließen und
stärken. Dies gilt vor allem für die Handgelenke, welche als
Schwachstellen angesehen werden.
Chum Kiu
Die Chum Kiu (Sinkende-Brücke-Form) baut auf den Grundlagen
der ersten Form auf und führt neue
Techniken ein. Ihre Hauptfunktionen
sind die Integration von Schritt- und Drehbewegungen zu den erlernten
Handtechniken. Es gilt, die drei grundlegenden Kraftquellen für aktive
Bewegungen, Drehung, Aufrichten und Absenken des Körpers
hinzuzufügen, sowie Gleichgewicht und Koordination zu fördern.
Taktisch beinhaltet die Form Mannöver für die Überwindung der
Distanz und Schaffung einer Verbindung durch Kontrolle der
gegnerischen Gliedmaßen. Die meisten dieser
Kontrollmechanismen nutzen den senkenden Anteil des
Erdprinzips (Grounding) zur Verstärkung der Kraft, wodurch die
Form ihren Namen erhielt. Es gibt jedoch auch anhebende
Kraftnutzung des Erdpinzips, welches als Rooting bezeichnet wird.
Die Chum Kiu beinhalte auch Defensivstrukturen zur Schaffung
eines isolativen Zustandes zur Nutzung perspektivischer
Vorteile(zB. BongSao, LanSao). Auch Hebel und
Kontrollmechanismen (Chi Na), sowie Einfangtechniken (Jip Sao) zur
Einschränkung der gegnerischen Bewegungsmöglichkeit sind
enthalten.
Biu Tze
Die Biu Tze (Stoßende-Finger-Form) ist die dritte und
fortgeschrittenste Form des Wing Tsun. Sie beinhaltet Techniken,
die in extremen Situationen verwendet werden. Ihre
Hauptfunktionen sind die Einführung von Notfall- und
Wiederherstellungstechniken. Vergleichbar einem Airbag, der nur
dann zum Einsatz kommt, wenn wir in einer Notsituation die
Oberhand verlieren, bietet die BiuTze Möglichkeiten der
Bewältigung von Mißgeschicken und taktischen Fehlern. Dazu
zählen unausweichliche Kollisionen, Einbrechen von Positionen, das
Gehalten und Gefesseltwerden, ungewünsche isolative Zustände,
das Verlieren des Gleichgewichts, sowie Angriffe durch mehrere
Angreifer. In dieser Phase soll die Geschwindigkeit und das
Reaktionsfähigkeit des Schüler, sowie Präzision und Genauigkeit
der Techniken zur Reife gelangen.
Jede der 3 Formen spielt eine wesentliche Rolle im Wing Tsun
Training und hilft dem Praktizierenden, seine Fähigkeiten
schrittweise zu entwickeln und zu verbessern.
Mok Yan Chong Fat
An dieser Stelle möchte ich noch einen Blick auf das Set der Mok Yan Chong Fat (Holzpuppenform) richten.
Die Holzpuppenform beinhaltet nur wenige Techniken, die über die ersten 3 Formen hinausgehen. Sie
beinhaltet jedoch die meisten Tritte des Systems und vermittelt vor allem Flankenstrategien, um der Kraft
eines stärkeren Gegners zu entgehen und ihn empfindlich von der Seite zu treffen. Hierzu zählen auch
Strategien des Rückwärtsgehens. Die Holzuppe stellt eine
Möglichkeit dar, gefährliche Techniken gefahrlos, mit vollem
Krafteinsatz und hoher Wiederholungszahl zu üben. Auf diese
Weise entwickeln wir funktionelle Kraft, stärken die Knochen
und erhalten Korrekturen unserer Positionen.
Der Widerstand der Holzpuppe gibt uns Feedback für das
richtige Timing von Richtungswechseln nach Sättigung von
Bewegungen und ermöglicht die Entwicklung von
Seitenstabilität für die Entwicklung "Relativer Kraft". Der Blick
des Übenden soll hierbei ständig auf den Kopf der Puppe
gerichtet, jedoch "durchdringend" bzw. "periphär" sein, so daß
wir durch das erweiterte Blickfeld mehr Übersicht bewahren.
Das Arbeiten an der Puppe ermöglicht zudem den Fokus auf
verschiedene Trainingsaspekte wie Elastizität, Geschwindigkeit,
Bewegungsfluss oder Kraft.
Es gibt an sich keine "Holzpuppentechniken", wie viele Wing
Tsun Praktizierende annehmen. Vielmehr beinhaltet die Form
ein Set aus Strategieansätzen. Sie ermöglicht zudem das
gefahrlose Üben von Techniken unter realem Krafteinsatz und
inhaltlich der bedingten Befreiung vom Trainingspartner.
Historische Zusammenhänge
Die historischen Zusammenhänge des Wing Tsun liegen teilweise im Dunkeln. Jedoch wird angenommen,
dass die 3 Formen ursprünglich zu einer einzigen Gesamtform gehörten. Es ist dem Geheimkult geschuldet
ist, dass diese Inhalte später getrennt wurden. Noch heute ist es in China üblich, dass man einen Stil nur
selten in Gänze von einem einzigen Lehrer erlernen kann. Der Meister hält einen Teil seines Wissens
zurück, um dem Schüler überlegen zu bleiben.
Diese altmodische Denkweise stammt aus einer Zeit, da es durchaus üblich war, dass ein Herausforderer
das Oberhaupt einer Schule zum Kampf forderte und im Falle eines Sieges, viele seiner Schüler übernahm.